Geschichte des
Stift Tilbeck in Havixbeck
Von der Gründung 1881 bis heute
Geschichte des
Stift Tilbeck in Havixbeck
Von der Gründung 1881 bis heute
1881
Dem Wunsch ihres verstorbenen Cousins folgend, stiftet die Lehrerin Gertrud Teigelkemper den ihr vererbten Hof in der Bauerschaft Tilbeck einem sozialen Zweck. Nach der staatlichen Genehmigung entwickelt und leitet sie die “Private Erziehungsanstalt für epileptische Kinder” zunächst selbst.
1891
Um “die Einrichtung als römisch-katholische Einrichtung für alle Zeiten zu sichern”, überträgt Gertrud Teigelkemper sie dem Bischöflichen Stuhl von Münster.
1899
Die Schwestern vom Dritten Orden des heiligen Franziskus von Münster-Mauritz übernehmen die Pflege und Betreuung der Patienten. Die Trägerschaft des Bischöflichen Stuhls und die tatkräftige Unterstützung der Ordensschwestern ermöglichen in den Jahren von 1900 bis 1930 die Weiterentwicklung und den Ausbau der Einrichtung.
Der 1897 begonnene Bau der Kapelle wird fertiggestellt.
1900
Am 2. Mai stirbt Stifterin Gertrud Teigelkemper. Nach entsprechender Beantragung wird die Anlage eines Friedhofs auf dem Gelände genehmigt.
1906
Durch verschiedene Baumaßnahmen entstehen bis 1906 weitere Gebäude, darunter das einstöckige St.-Rochus-Gebäude zur Isolierung von Kranken mit ansteckenden Krankheiten. 220 Patientinnen finden Platz im Stift.
1907
Das Gertrudgebäude und der Wasserturm werden fertiggestellt.
1914
Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Um den Anstaltsbetrieb mit 360 zu versorgenden Mädchen und Frauen aufrechtzuerhalten, wird die Nichteinziehung von Angestellten beantragt.
1918
Die personelle Situation und die Versorgung der Kranken wird im Verlauf des Krieges problematisch. Durch die Nutzung der eigenen Ländereien kann jedoch die Lebensmittelversorgung auf einem ausreichenden Niveau gehalten werden.
1928
Aufgrund steigender Aufnahmezahlen werden weitere Neubauten beschlossen.
1929
Die Weltwirtschaftskrise setzt ein. Das Stift hat Schulden von rund 750 000 Reichsmark.
1932
Im Januar stirbt Direktor Kleyboldt, der 32 Jahre für das Stift tätig war. Priester Heinrich Rampelmann übernimmt die Leitung. Er forciert eine Tilgung der Schulden.
1933
Mit der Machtergreifung Hitlers gewinnt die nationalsozialistische Ideologie mit Begriffen wie “Rassenhygiene” und “Erbgesundheitslehre” (Eugenik) immer mehr an Boden.
1934
Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses” tritt in Kraft. Das menschenverachtende Gesetz schreibt vor, dass Träger angeblicher genau festgelegter Erbkrankheiten bei den Gesundheitsämtern gemeldet werden müssen. Sogenannte Erbgesundheitsgerichte entscheiden dann über die Sterilisierung der Gemeldeten. Die katholische Kirche ergreift für die Betroffenen Partei und lehnt die Unfruchtbarmachung grundsätzlich ab. Dennoch werden 46 Mädchen und Frauen aus dem Stift sterilisiert.
1940
Mitte Juni beginnt der Reichsinnenminister damit, auch in Westfalen Vordrucke zur Meldung der an Heil- und Pflegeanstalten versorgten Patienten zu versenden. Dies sollte angeblich der „Notwendigkeit planwirtschaftlicher Erfassung“ dienen. Der wahre Zweck lag jedoch in der systematischen Vernichtung “lebensunwerten Lebens”.
1941
Bis Ende August sind 462 der etwa 680 in Tilbeck betreuten Mädchen und Frauen den entsprechenden Stellen gemeldet. In seiner Predigt vom 3. August ruft der Träger des Stiftes, Bischof von Galen, zu passivem Widerstand auf und klagt in der Lambertikirche zu Münster die NS-“Euthanasie” öffentlich an.
Im Dezember 1941 verlangt die Provinzialverwaltung die Verlegung von 200 Frauen in die Provinzialheilanstalt Eickelborn. Widerwillig leitet der Direktor des Stifts die Verlegung von 150 Frauen in die Wege.
Insgesamt wurden in den Jahren 1936, 1937 und 1941 228 Menschen in staatliche Einrichtungen verlegt. Keiner der verlegten Patienten kam jemals zurück. Sehr wahrscheinlich sind die meisten von Ihnen gezielt getötet worden.
1943
Direktor Rampelmann stirbt am 28. Juli. Prälat Ernst Laackman wird zu seinem Nachfolger ernannt.
1945
Bis zum Ende des Krieges werden mindestens 17 vom Arbeitsamt zugeteilte Zwangsarbeiter auf dem Stiftsgelände beschäftigt. Heute sind 15 davon namentlich bekannt. Im Zuge der Entschädigungsbemühungen der katholischen Kirche konnte ein polnischer Zwangsarbeiter, der im Stift beschäftigt war, ermittelt und über einen speziell hierfür errichteten Fonds entschädigt werden.
1950
Eine Typhusepidemie erfasst 20 Patientinnen und fordert acht Todesopfer.
1951
Direktor Laackman wird unter anderem wegen seiner Haltung während des Dritten Reiches zum Päpstlichen Geheimkämmerer ernannt.
1960
Die Gebäude und ihre Ausstattung werden modernisiert.
1965
Das Mutterhaus der Ordensfrauen kann verstorbene oder kranke Ordensschwestern, die in Tilbeck tätig waren, kaum noch ersetzen. Es fehlt Nachwuchs, und die Neuerungen der staatlichen Systeme fördern und finanzieren zunehmend den Einsatz weltlicher Kräfte. Die Zahl der Ordensfrauen in Tilbeck sinkt auf 67 Schwestern.
Im Oktober wird Pfarrer Ulms zum Direktor ernannt.
1968
Im Frühjahr tritt die erste weltliche Schwester ihren Dienst an.
Ein Gutachten stellt fest, dass das Stift weder den gesundheits- und baupolizeilichen Vorschriften noch den Anforderungen einer geordneten Krankenpflege entspricht. Mit verschiedenen Baumaßnahmen und besserer Ausstattung behebt man die Missstände.
1969
Dr. Friedrich Hillers übernimmt die ärztliche Leitung des Stifts und beginnt mit der Umsetzung der im Gutachten von 1968 ausgesprochenen Empfehlungen im therapeutischen Bereich. Neben der medikamentösen Behandlung legt er Wert auf Beschäftigungstherapie, Rhythmik und Heilpädagogik.
1970
Das Gesundheitsamt des Landkreises Münster will Dr. Hillers als Facharzt für Jugendpsychiatrie für eine nebenamtliche Tätigkeit gewinnen und weist darauf hin, dass durch die Sprechstunden der Kontakt zwischen Stift und Bevölkerung der Umgebung hergestellt werden kann. Die neuen ärztlichen Konzepte werden zwar insbesondere von den jüngeren Schwestern positiv aufgenommen, doch es entstehen auch Konflikte, die im Spätsommer eskalieren. Das Bischöfliche Generalvikariat beendet daraufhin das Dienstverhältnis mit Dr. Hillers.
1971
Der Träger erkennt die Dringlichkeit konsequent zukunftsweisender Konzepte und setzt im April mit Leonhard Thiel den ersten weltlichen Verwaltungsleiter ein. Das Leitungsgremium setzt sich damit aus Leonhard Thiel, dem Geistlichen Direktor Ulms und der Oberin Schwester M. Einhilda zusammen. Dr. Norbert Willeke wird als ärztlicher Direktor gewonnen.
1972
Schwester M. Einhilda wird als Oberin durch Schwester M. Firmata abgelöst.
Im Juni nehmen Direktor Ulms und Dr. Willeke an einer mehrtägigen Informationsreise nach Dänemark und Schweden teil, wo in der Betreuung behinderter Menschen schon seit längerer Zeit neue Wege beschritten werden. Die Hausleitung kommt zu dem Schluss, dass das Stift vielfältige Defizite aufweist. Es wird ein Konzept entwickelt, das sich zunächst wesentlich am Zielplan des Landes NRW orientiert.
1973
Es werden Gespräche mit dem zuständigen Arbeitsamt in Münster über den Neubau einer Beschützenden Werkstatt geführt. Im Obergeschoss des Hildegardgebäudes werden bereits Räume für die Arbeitstherapie eingerichtet. Im Oktober übernimmt Manfred Weber als Werkstattleiter die Aufgabe, die Tilbecker Werkstätten aufzubauen.
1977
Die pädagogischen Bemühungen im Stift erfahren eine deutliche Aufwertung. Es wird erstmals ein Pädagoge mit der Gestaltung der Freizeit von Patientinnen und Bewohnerinnen beauftragt.
Eine neue Satzung wird erlassen, in welcher der Geistliche Rektor an die Stelle des Geistlichen Direktors tritt. Seine Hauptaufgaben liegen im repräsentativen und seelsorgerischen Bereich. Der Hausleitung gehört er nur noch in beratender Funktion an.
1980
Der erste Bauabschnitt der Tilbecker Werkstätten ist abgeschlossen und kann mit 150 Plätzen bezogen werden.
1992
Es werden Wohngruppen in Billerbeck, Havixbeck und Nottuln eingerichtet sowie tagesstrukturierende Maßnahmen entwickelt. Die Beschäftigungstherapie wird in eine Tagesförderung umgewandelt. Der dritte Bauabschnitt der Tilbecker Werkstätten wird verwirklicht.
1993
Der erste Bauabschnitt der Klinik am Schlossgarten in Dülmen wird in Betrieb genommen.
1998
Der zweite Bauabschnitt der Klinik am Schlossgarten in Dülmen wird fertiggestellt. Die letzte Krankenhausstation wird von Tilbeck in die Klinik verlagert.
1999
Es entstehen Wohngruppen in Billerbeck, Havixbeck und Senden-Bösensell.
2000
Der Familienunterstützende Dienst für den östlichen Teil des Kreises Coesfeld wird aufgebaut.
2001
Den Opfern des Nationalsozialismus in Stift Tilbeck wird auf dem Tilbecker Friedhof ein Mahnmal als Gedenkstein gesetzt.
Das Betreute Wohnen im östlichen Teil des Kreises Coesfeld wird aufgebaut.
Der Barfußgang wird eröffnet.
2003
Es werden Wohntrainingsgruppen in Münster und Nottuln eingerichtet.
Ein Wohnhaus in Nottuln empfängt seine ersten Bewohner.
Der Wasserturm wird renoviert und das Café am Turm eröffnet.
2004
In Münster wird eine neue Wohngruppe eröffnet.
Der Dezentralisierungsprozess wird mit Unterstützung der Aktion Mensch eingeleitet.
Die Krankenpflegeschule fusioniert mit der Zentralschule für Gesundheitsberufe St. Hildegard in Münsters Stadtteil Hiltrup.
2005
Weitere Wohngruppen werden in Senden-Bösensell eingerichtet.
Wohnhäuser und die Tilbecker Kapelle am Standort Tilbeck werden renoviert und ein zentrales Treppenhaus im Altbaubereich wird errichtet.
Das (erste) städtebauliche Entwicklungskonzept Stift Tilbeck wird vorgestellt.
2006
Stift Tilbeck feiert 125-jähriges Jubiläum.
2007
Die ersten Bewohnerinnen und Bewohner beziehen Haus Antonius in Nottuln, Haus Matthäus in Münster-Roxel sowie das Konrad-von-Parzham-Haus auf dem Stiftsgelände.
Die Klinik am Schlossgarten Dülmen GmbH wird gegründet.
2008
Die Münsterlandschule Tilbeck in Trägerschaft der Kosmos Bildung gGmbH begrüßt ihre ersten Schülerinnen und Schüler.
Der erste Lokale Teilhabekreis wird in Nottuln ins Leben gerufen.
Die Integrationsfirma VARIA GmbH wird gegründet.
Am Standort Stift Tilbeck werden (interne) Straßennamen und Hausnummern eingeführt.
2009
Haus Daniel in Münster-Roxel wird in Betrieb genommen. Haus Rochus auf dem Stiftsgelände wird zur Werkstatt für behinderte Menschen umgebaut.
Das Tilbecker Kochbuch entsteht.
2010
Die Stift Tilbeck GmbH tritt 51 % ihrer Gesellschafteranteile an der Klinik am Schlossgarten Dülmen GmbH an die Christophorus Trägergesellschaft Coesfeld ab und wird zeitgleich Mitgesellschafter dieser Gesellschaft. Damit gibt die Stift Tilbeck GmbH auch ihre Mitträgerschaft an der Krankenpflegeschule St. Hildegard in Münster-Hiltrup ab.
Die WENO zieht in das Gebäude Liebigstraße in Nottuln um. Das Zentrum für berufliche Bildung und berufliche Qualifizierung (ZBQ) nimmt im alten WENO-Gebäude in der Otto-Hahn-Straße in Nottuln seine Arbeit auf.
Das Gebäude der Tilbecker Werkstätten am Standort Stift Tilbeck wird umfassend renoviert.
Die Münsterlandschule Tilbeck eröffnet die Sekundarstufe 1, die Zahl der Schüler steigt auf 125.
Der erste Gemeinderat wird gewählt, der Lokale Teilhabekreis Havixbeck gegründet.
2011
Im Mai wird Haus Monika auf dem Stiftsgelände in Betrieb genommen. Es ist speziell für die Anforderungen von Menschen mit hohem Begleitbedarf konzipiert.
In das neue Haus Noah ziehen 20 Personen ein. Das Haus liegt zentral in Münster-Gievenbeck.
Das (zweite) städtebauliche Entwicklungskonzept Stift Tilbeck wird vorgestellt.
2012
Das Haus „Wohnen in Pastors Garten“ öffnet in Münster-Roxel seine Pforten. Das Haus bietet vollstationäre Pflege für alte Menschen.
Das neue Werkstattgebäude für schwerstmehrfachbehinderte Menschen an der Ahornallee in Stift Tilbeck wird in Betrieb genommen.
Regionales Fortbildungszentrum der Bezirksregierung Münster: Neugründung am Standort Stift Tilbeck.
2013
Der Brunnenplatz auf dem Stiftsgelände wird neu gestaltet.
Nach einjähriger Umbauzeit nehmen das neue Café am Turm und die Privatrösterei Schröer ihren Betrieb auf. Die Varia GmbH erweitert ihr Aufgabenfeld mit der Übernahme der Privatrösterei Schröer und des dazu gehörigen Geschäftslokals in Dülmen.
Das Regionale Fortbildungszentrum für Inklusion der Bezirksregierung Münster am Standort Stift Tilbeck wird eröffnet.
In einem Haus in Havixbeck wird eine neue Wohngruppe mit acht Bewohnern eingerichtet.
2014
Nach vierjähriger Vorbereitungszeit wird das Verfahren eines neuen Flächennutzungs- und Bebauungsplans Stift Tilbeck rechtsgültig abgeschlossen.
Die Tilbecker Zentralküche wird geschlossen.
Das Denkmal des Gebrochenen Engels wird um eine bronzene Gedenktafel ergänzt, die die Namen der Bewohnerinnen und Bewohner von Stift Tilbeck anführt, die in der Zeit des Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden.
Nach umfassendem Umbau werden die Häuser Stift Tilbeck, Brunnenplatz 7 und 8 bezogen.
2015
In Havixbeck wird ein neues Wohnangebot eröffnet: Am Habichtsbach ziehen 16 Nutzer in das neu gebaute Appartementhaus ein.
Es erfolgt der erste Spatenstich für ein Wohnprojekt in Billerbeck. Dort werden 24 Personen ein neues Zuhause finden.
Die Zahl der Schülerinnen und Schüler in der Münsterlandschule Tilbeck steigt auf 230.
Weitere Bereiche des Altbaubestandes werden umfassend renoviert.
2016
Die Ordensleitung zieht die letzten fünf verbliebenen Ordensschwestern aus Stift Tilbeck ab.
Verabschiedung des langjährigen Geschäftsführers Bernward Jacobs.
2017
Pfarrer Kappenstiel wird aus dem Hausleitungs-Team verabschiedet. Erstmals in der Geschichte von Stift Tilbeck übernimmt nun ein Nichtpriester den Seelsorgepart in der Hausleitung: der Theologe und Pastoralreferent Klaus Hammelbeck.
2018
Die im Wohn- und Teilhabegesetz verlangte Quote in Höhe von 80 % Einzelzimmern für den Wohnbereich bis Mitte 2018 wird erreicht und übertroffen.
Das Ludgerushaus in Münster wird aufgegeben, die verbliebenen Bewohner beziehen eine neue Wohnanlage in Münster-Mecklenbeck in der Meyerbeerstraße.
Als weiteres wichtiges Standbein in der Unternehmensentwicklung wird die Jakobus Pflege und Betreuung GmbH mit Sitz in Tilbeck gegründet.
2019
Die ersten Schüler der Münsterlandschule machen das Abitur.
Im Bereich der Behindertenhilfe gibt es außerhalb der Kerneinrichtung nun 18 Wohngruppen im Westen von Münster und in der Baumbergeregion.